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Wie soll ich das verstehen? 10 Punkte für eine bessere Kommunikation mit Jugendlichen

 

 

Kennst du das? Dein jugendlicher Nachwuchs verweigert jegliches Gespräch mit dir, gibt sich betont lustlos oder schenkt dir maximal einen unmutigen Blick oder ein genervtes Seufzen? Oder gibt ein paar Standard-Zweiwortsätze von sich, mit denen du nichts anfangen kannst?

 

Das könnte daran liegen, dass er/sie an eine Kommunikation mit dir gewöhnt ist, in der er/sie sich einfach nicht angesprochen oder ernst genommen fühlt. Dabei haben Jugendliche ein großes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Verständnis von ihren Eltern.

 

Dieser Beitrag soll dir dabei helfen mit Jugendlichen leichter ins Gespräch zu kommen. Damit ihr Missverständnisse vermeidet und weniger aneinander vorbei redet.

 

Klar, es gibt eine Reihe von ausgefeilten Gesprächstechniken, die man anwenden kann. Aber unterschätze nicht deine Einstellungen und Absichten in einem Gespräch. Die Haltung, mit der du an Jugendliche herantrittst und die du in der Kommunikation zeigst, ist oft wichtiger als jede Methode oder Technik.

 

Die meisten der hier vorgestellten Tipps gehen auf die Expertise der niederländischen Psychologin und Kommunikationsexpertin Martine F. Delfos zurück, die seit vielen Jahren über dieses Thema forscht und eine Reihe von Büchern veröffentlicht hat.

 

 

 

 

1. Zeige wirkliches Interesse: Erwachsene und Jugendliche haben oft ganz unterschiedliche Interessen. Erwachsene neigen dazu - ohne es selbst zu merken - Jugendlichen eigene Interessen überzustülpen. Die Folge: viele Jugendliche fühlen sich nicht verstanden. Gewöhne dir an, mehr zu fragen als selbst von dir zu erzählen. Und nimm im Gespräch nicht zu viele Inhalte vorweg, es könnte sonst die Gesprächsmotivation von Jugendlichen auf Null sinken lassen.


2. Achte auf Respekt: Es ist wichtig, dass sich beide Gesprächspartner gegenseitig respektieren - unabhängig von Inhalten oder von unterschiedlichen Meinungen. Erwachsene tendieren dazu einseitig die Richtung eines Gesprächs zu bestimmen. Viele Jugendliche fühlen sich dann nicht für voll genommen, weil sie es als Beleidigung ihrer Intelligenz und ihres Alters empfinden.

 

3. Rede über Ressourcen statt Probleme: Erwachsene haben manchmal die Angewohnheit, Probleme in den Vordergrund zu rücken. Also vorzugsweise dann zu sprechen, wenn sie mit irgendetwas nicht zufrieden sind. Auf solche einseitigen Gespräche hat auf Dauer keiner Lust (auch Erwachsene nicht). Betone deshalb unbedingt auch die positiven Dinge. Was läuft gut? Welche Aktivitäten und Fähigkeiten magst du loben? Hat jemand etwas gut gemeistert? ("Wie hast du das geschafft?")

 

4. Zwischen Jugendlichen und Erwachsenen besteht ein natürliches Verantwortungsgefälle. Das bedeutet, Erwachsene haben mehr Verantwortung. Jugendliche streben jedoch in ihrer Entwicklung immer mehr Gleichwertigkeit an. Darauf sollten Erwachsene eingehen, denn Jugendlichen fällt es oft nicht leicht das zu verstehen: Einerseits wollen sie mehr Autonomie und Selbstbestimmung, andererseits müssen sie diese erst erlernen. Während der Pubertät verändert sich die Machtbalance in Gesprächen.

(Um eine Vorstellung von diesem Gefälle zu bekommen, können Erwachsene folgende Übung ausprobieren: Führe eine Gespräch, während der eine sitzt und der andere steht. Wechsle nach einigen Minuten die Position. Das Gesprächsthema ist unwichtig. Was beobachtet ihr in den unterschiedlichen Positionen über die Rollen und Anteile am Gespräch? Wo fühlt ihr euch wohler?)

 

5. Gib Jugendlichen den Raum für ihre Geschichte. Versuche dich bewusst einmal zurückzuhalten und das Erzählen deinem Gegenüber zu überlassen. Stelle Fragen. Was ist wichtig für die Jugendlichen?

 

6. Äußere Wertschätzung für das Denken der Jugendlichen, welches ganz anders sein kann, als du es dir vorstellst. Das bedeutet: Versuche dich auf neue Anschauungen, Perspektiven und neues Wissen einzulassen. Zeige deine Bereitschaft dazuzulernen.

 

 

7. Jugendliche wollen Loyalität gegenüber ihren engsten Angehörigen. Wenn du kein Elternteil bist, dann erwarte nicht, dass sie sich gegen ihre Eltern positionieren. Wenn du ein Elternteil bist, dann verlange von ihnen keine Kritik am anderen Elternteil.

 

8. Sei offen für die modernen Kommunikationswelten und gib nicht vor, alles besser zu wissen. Schätze die erweiterten Möglichkeiten der Digitalisierung. Erkenne an, dass sie ganz eigene Gesetzmäßigkeiten hat, die es zu erlernen gilt, z.B. hinsichtlich Erreichbarkeit, Anonymität, Preisgabe von Daten, Stil der Kommunikation usw.

 

9. Hilfreich in Gesprächen sinde folgende Dinge:

  • Teile Jugendlichen deine Absichten eines Gesprächs mit, wenn diese für sie nicht direkt erkennbar sind. (Beispiel: "Ich möchte mit dir über die Reise sprechen, weil mir wichtig ist, dass wir beide einen schönen Urlaub haben.")
  • Schweigen ist erlaubt.
  • Übe dich darin deine Gefühle zu benennen. Das macht es deinem Gegenüber leichter, dies auch zu tun.
  • Lade gern dein Gegenüber ein, seine/ihre Meinung über das Gespräch und dessen Verlauf zu äußern.
  • Übe dich im Zuhören.
  • Bei Erwachsenen ist es oft ratsam offene Fragen zu stellen (mehrere Antworten sind möglich, z.B. "Was habt ihr im Urlaub gemacht?") anstatt geschlossene Fragen (nur zwei Antwortalternativen sind möglich wie Ja/Nein, z.B. "Magst du diese Serie?"). Junge Erwachsene bevorzugen auch offene Fragen, aber für Jugendliche bis ca. 16 Jahren kann es manchmal schwierig sein, auf offene Fragen zu antworten. Du wirst nicht wollen, dass sie sich deswegen schlecht oder unsicher fühlen, weil sie denken etwas falsch gemacht zu haben. Hilf ihnen dann auf die Sprünge, indem du verschiedene Antwortmöglichkeiten zur Auswahl stellst. (Beispiel: "Erzähl doch mal über deine Freunde." Wenn Jugendliche dann nicht wissen, was sie antworten sollen, dann frage nach: "Geht ihr gern ins Kino?", "Trefft ihr euch nach der Schule noch?" oder "Interessiert sich xyz auch für dein Hobby?")

10. Versuche einmal die Sokratische Methode anzuwenden. Ja, sie geht auf den griechischen Philosophen Sokrates zurück (469-399 v.Chr.). Dieser trat in seine Gespräche ein mit der Grundüberzeugung, selbst wenig zu wissen oder zu verstehen und stattdessen das Gegenüber für den Sachkundigen zu halten. Im Gespräch mit Jugendlichen bringst du damit die Haltung zum Ausdruck, der/die andere ist Experte für sich selbst, also nicht du. Das hat automatisch zur Folge, dass sich Jugendliche respektiert und gleichwertig behandelt fühlen. Für Fortgeschrittene: Durch geschicktes Fragenstellen und Nachhaken kann dein Gegenüber seine/ihre Meinung kundtun und auch weiterentwickeln.

 

 

Probiere doch einmal diese Tipps aus. Hast du Fragen oder möchtest du etwas noch genauer wissen?

 

Und was funktioniert bei dir besonders gut? Hinterlass gern einen Kommentar.

 

 

 

Zum Weiterlesen:

Martine F. Delfos. "Wie meinst du das?" Gesprächsführung mit Jugendlichen (13-18 Jahre). Beltz Taschenbuch.

 

Bilder:

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